Projektberichte

„Digitales Lernen und IT-Sicherheit.“ 

Im Interview: Dominik Niehus, Geschäftsführer der coactum GmbH und im Projekt „KMU. Einfach. Sicher.“ für die technische Umsetzung der Weiterbildungsplattform verantwortlich.

I. Kurzvorstellung Dominik Niehus und coactum 

Bitte stellen Sie sich und die Firma coactum kurz vor.

Die coactum GmbH ist vor ca. 10 Jahren aus dem Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn heraus gegründet worden, konkret aus dem Lehrstuhl für Kontextuelle Informatik von Prof. Dr.-Ing. Reinhard Keil. Anlass der Ausgründung war die Lernplattform koaLA (Koaktives Lernen und Arbeiten). Es gab den Wunsch von Seiten der Universität, die Lernplattform in einem betrieblichen Umfeld weiter voranzutreiben, nachdem sie den Forschungs- und Projektstatusstatus verlassen hatte. Wir haben im Grund diese Lernplattform in die Welt hinausgetragen und Anwendungen im betrieblichen und schulischen Sektor erschlossen. Wir sind nach wie vor eng mit der Hochschule verbunden und tragen Neuerungen aus der Forschung in alle Anwendungsbereiche der Plattform.

Zu mir als Person, ich bin einer der Geschäftsführer der coactum GmbH und habe früher als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Keil in Forschungsprojekten mit dem Fokus auf Lernlösungen und eben auch an der Entwicklung der Lernplattform koaLA mitgearbeitet.

Bietet coactum eine einheitliche Plattform für die unterschiedliche Anwendungsbereiche an?

Nein, das ist etwas, was uns in der Philosophie gegenüber anderen unterscheidet. Wir bauen und passen die Plattform passgenau an den Einsatzzweck an. Eine Anwendung im Bereich der Bäckereien heißt „Bäckerei denkt Zukunft“ und ihr Erscheinungsbild ist natürlich ein komplett anderes als im universitären oder schulischen Bereich. Gleiches gilt auch für die Weiterbildungsplattform, die wir im Rahmen des Projektes „KMU. Einfach. Sicher.“ entwickeln.

II. Digitales Lernen

In vielen Unternehmen ist die Fort- und Weiterbildung der Beschäftigten noch ausbaufähig, insbesondere wenn es um digitale Möglichkeiten geht. Welche Vorteile bringt das digitale Lernen den Unternehmen gegenüber herkömmlichen Präsenzangeboten?

Digitales Lernen ist eindeutig im Bereich der zeitlichen und örtlichen Unabhängigkeit von Vorteil, und das nicht nur in Zeiten einer Pandemie. Durch Corona gab es in der Tat eine deutlich größere Nachfrage nach digitalen Lernmöglichkeiten. Allerdings kann digitales Lernen das Präsenzlernen nicht vollständig ersetzten, dass muss man auch ganz klar sagen. Ob und in welchem Umfang Digitales Lernen zum Einsatz kommen kann, hängt sehr stakt vom Inhalt ab. Schulungen z.B. im Bereich Arbeitssicherheit können digital angereichert Grundlagen vermitteln, aber ein Teil der Schulung sollte individuell am Gerät, an der Maschine durchgeführt werden. Darüber hinaus hat beim Digitalen Lernen die lernende Person den Vorteil, Tempo, Inhalte und Wiederholung individuell zu bestimmen.

Es gibt eine Vielzahl von digitalen Lernangeboten, von youtube über LinkedIn Learning bis hin zu Udemy. Wie finden ein Unternehmen oder auch die Mitarbeitenden die passenden Angebote?

Für uns ist Digitales Lernen mehr als nur mehr oder weniger digital gut aufbereitete Inhalte, wie z.B. auf youtube. Digitale Lernplattformen müssen aus unserer Sicht den Lernenden ein individuelles Lernangebot bieten, das stetig weiterentwickelt werden kann, wo neue Inhalte vorgeschlagen werden und der aktuelle Lernstand erkennbar ist. Digitales Lernen ist allerdings kein Selbstläufer. Es funktioniert nicht, in dem ich sage, liebe Beschäftigte, hier ist eine Lernplattform, bildet euch weiter. Trotz der sehr individuellen Nutzbarkeit von Lernplattformen muss es im Unternehmen jemanden geben, der das Digitale Lernen organisiert, eine Auswahl in Bezug auf die Lernangebote trifft und auch die Beschäftigten bei der Stange hält.

Kann ich als Unternehmen ein eigenes digitales Lernangebot schaffen?

Neben der technischen Lösung und den relevanten Inhalten muss ein Unternehmen zunächst für sich die Fragen beantworten: Was soll konkret erreicht werden und wie schaffe ich Raum und Zeit für die Beschäftigten für das Digitale Lernen? Zielsetzung kann beispielsweise sein, alle Beschäftigten in Bezug auf die Kommunikation mit Kunden auf einen hohen Standard zu bringen. Es muss klar sein, dass betriebliches Lernen Arbeitszeit ist. Wenn es aus technischen Gründen in der Freizeit erfolgen muss, weil z.B. nicht jede(r) Beschäftigte einen Zugang zu einem entsprechenden Endgerät hat, dann muss das trotzdem vergütet werden. Wenn solche Mechanismen im Vorfeld überlegt und angelegt wurden, unabhängig von der technischen Lösung der Lernplattform, dann wird auch Digitales Lernen zum Erfolg.

Die spannende Frage, die sich ein Unternehmen dann sofort stellt: Wie komme ich an geeignete Inhalte und kann ich die ggf. mit den heutigen technischen Tools auch selbst erstellen?

In vielen Branchen gibt es mittlerweile die Möglichkeit, branchenspezifischen Inhalte als vorgefertigte Grundausstattung einzukaufen, mit denen gestartet werden kann. Natürlich können Unternehmen auch selbst Inhalte erstellen, die technischen Möglichkeiten sind heutzutage da und bezahlbar. Wir stellen allerdings immer wieder fest, dass die anfängliche Begeisterung und Euphorie, eigene Inhalte zu erstellen, im Tagesgeschäft schnell nachlässt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass oft kein didaktisches und medientechnisches Wissen vorhanden ist, um Fachinhalte entsprechend aufzubereiten. Deswegen bieten wir unseren Kunden an, Fachinhalte oder erste Entwürfe zu liefern, die wir dann im Nachgang medial und didaktisch aufbereiten, so dass man sich den Aufwand für die Erstellung von Lerninhalten teilt. In einem ersten Schritt empfehle ich Standardinhalte zu kaufen, um das Digitale Lernen im Unternehmen zu etablieren. Im zweiten Schritt kann dann über eigene Inhalte nachgedacht werden.

Auf was muss ich achten, wenn ich Inhalte kaufe, können alle Inhalte unproblematisch auf jeder Plattform genutzt werden?

Das ist ein wichtiger Punkt. Leider ist es häufig so, dass Inhalte eines bestimmten Anbieters mit einer bestimmten technischen Lösung, also einer bestimmten Plattform verbunden sind. Es gibt zwar Standards, die gerade im universitären Einsatz durchaus verbreitet sind, aber im betrieblichen Bereich ist das zumindest aktuell noch selten der Fall.

Eine letzte Frage zum Thema Digitales Lernen, haben Sie eben schon etwas mitbeantwortet: Was muss ich bei der Einführung von digitalen Lernmedien in meinem Unternehmen beachten? Wie könnte ein Unternehmen in Digitales Lernen einsteigen?

Für den Einstieg in Digitales Lernen bieten sich häufig Schulungs- und Lerninhalte an, die das Unternehmen verpflichtend hat, wie z.B. in Lebensmittelunternehmen die Hygieneschulungen. Die müssen jährlich wiederholt werden, sind aufwändig in der Logistik. Wenn diese Inhalte auf einer Lernplattform so positioniert werden, dass sie wirklich Mehrwerte liefern, d.h. dass die Beschäftigten über den Tellerrand hinausschauen können, dass mit motivatorischen Mitteln gearbeitet wird, dass Belohnungssysteme zum Einsatz kommen und das Unternehmen seine Zielsetzung, den Sinn hinter den Inhalten ganz klar macht, dann ist das ein guter Einstieg. Wichtig ist, den eingeschlagenen Weg dann auch durchzuhalten, d.h. eine regelmäßige Nutzung der Plattform, um über die Kontinuität auch wirklich qualitätssteigernde Ziele zu erreichen.


III. IT-Sicherheit in der Wirtschaft

Coactum ist im Projekt KMU. Einfach. Sicher als technischer Lösungspartner beteiligt. In dem Projekt geht es darum, das Thema IT-Sicherheit so aufzubereiten, dass Beschäftigte ohne IT-Kenntnisse motiviert sind, sich um das Thema zu kümmern, und zwar konkret im Kontext ihres Arbeitsbereiches. Gab oder gibt es hier besondere Herausforderungen, um das Thema IT-Sicherheit als digitales Lernangebot zur Verfügung zu stellen?

IT-Sicherheit ist ein wichtiges Thema im Unternehmen, aber auch ein sehr emotionales, mit dem viele Ängste und Unsicherheiten bei den Beschäftigten verbunden sind. Mit der Lernplattform gilt es ein gewisses Vertrauen zu schaffen, eine Ausprobierbereitschaft, wo Fehler gemacht werden dürfen, also z.B. ein unsicheres Passwort benutzt werden darf, um zu sehen, was bedeutet das eigentlich. Ich glaube, dass das Nachvollziehen von solchen Vorgängen in der IT-Sicherheit Vertrauen schafft. IT-Sicherheit ist ein sehr geeignetes Thema für das Digitale Lernen. Mit der Lernplattform habe ich die Möglichkeit, IT-Sicherheit relevante Vorgänge zu simulieren. Deshalb glaube ich, dass in der Kombination von IT-Sicherheit und Digitalem Lernen ein großes Potential steckt.

Wie wollen Sie die Unternehmen und insbesondere die Beschäftigten dazu motivieren, sich mit der IT-Sicherheit auseinanderzusetzen?

Motivation und Begeisterung können durch den berühmten AHA-Effekt geschaffen werden. Wenn Beschäftigte den jeweiligen Inhalt durchgearbeitet und einen Erkenntnisgewinn erlangt haben, mit dem sie vorher nicht gerechnet haben, von dem sie selbst überrascht sind, dann entsteht Motivation, sich weitere Inhalte anzusehen. Es hängt also ganz massiv von den aufbereiteten Inhalten ab. Die technische Lösung spielt dabei nur im Hinblick auf ihre intuitiven Funktionen und Nutzungsfreundlichkeit eine Rolle. Wichtig sind kontinuierlich neue Inhalte und Angebot, nicht nur, weil sich IT-Sicherheit ständig weiterentwickelt und nachgearbeitet werden muss, sondern um die Beschäftigten regelmäßig auf die Plattform zu bekommen, etwas Neues zu entdecken und einen neuen AHA-effekt zu erzeugen. Darüber entsteht Motivation und ggf. auch Begeisterung, aber eben auch Nutzen, in Form von mehr Qualität und Sicherheit in Prozessen, Diensten und Produkten.

IT-Sicherheit wird von denen, die nicht unmittelbar damit beschäftigt sind, als Zusatzaufwand empfunden, der für ihre tägliche Arbeit nichts bringt, im Gegenteil eine Behinderung darstellt. Kann man so etwas auflösen?

Ja, in dem das Unternehmen klar sagt, dass IT-Sicherheit eine notwendige Maßnahme ist, damit das Unternehmen arbeitsfähig ist und bleibt. Es muss deutlich kommunizieren, dass sich alle Beschäftigten, egal ob aus der Personalabteilung, Buchhaltung oder Arbeitsvorbereitung mit IT-Sicherheit beschäftigten müssen und dafür auch die Möglichkeit bekommen. IT-Sicherheitsmaßnahmen müssen eine ganz normale Tätigkeit im beruflichen Alltag werden, auch außerhalb der IT-Abteilung.

Gibt es denn auch Beispiele dafür, dass es für mich z.B. in der Arbeitsvorbereitung oder der Personalabteilung auch für meine konkrete Arbeit Vorteile hat?

Neben einem Grundverständnis über IT-Sicherheit sollten Weiterbildungsmodule IT-Sicherheitsthemen immer mit dem Arbeitsalltag der Beschäftigten verbinden. Hier sollte geschaut werden, an welchen Stellen die Beschäftigten IT-Sicherheitsmaßnahmen als umständlich oder Mehraufwand wahrnehmen. Das Weiterbildungsmodul „Einfach Sicher – Einloggen“ in unserem Projekt „KMU. Einfach Sicher.“ adressiert das leidige Thema, sich immer wieder in unterschiedlichste Systeme mit sicheren Passwörtern einloggen zu müssen. Es schafft zu einem Verständnis für die Notwendigkeit und bietet aber gleichzeitig auch Lösungen, sich sichere Passwörter zu schaffen, zu merken oder mittels eine Passwortmanagers einfach zu verwalten. So können Beschäftigte Zeit sparen und dennoch mit sehr sicheren Passwörtern arbeiten.

Wenn Unternehmen für sich erkannt haben, dass es ein kluger Schritt ist, IT-Sicherheit mit digitalem Lernen anzugehen. Wie können diese Unternehmen, aber auch ihre Beschäftigten von dem Projekt KMU. Einfach. Sicher. profitieren?

Wir bieten im Rahmen des Projektes kostenfreie Zugänge zur Weiterbildungsplattform „KMU. Einfach Sicher.“ an. Beschäftigte können sich selbst registrieren und die verfügbaren Module durcharbeiten. Teilnehmende erhalten im Nachgang in ihrem persönlichen Profilbereich eine Teilnahmebescheinigung, die auch heruntergeladen werden kann. Wenn Unternehmen ihre Beschäftigten motivieren, die Weiterbildungsplattform zu nutzen, kann so das Thema IT-Sicherheit in der Breite des Unternehmens aber dennoch auf individuellen Wegen angegangen werden. Angedacht, sicherlich nicht im Rahmen des Projektes, ist, dass ein Unternehmen insgesamt ihre Belegschaft auf der Plattform registrieren kann, um die Module zu verpflichtenden Weiterbildungseinheiten für ihre Beschäftigten zu machen. So kann ein Unternehmen einen gewissen IT-Sicherheitsstandard schaffen. Darüber hinaus müssen die Beschäftigten auch sehen, dass IT-Sicherheitskenntnisse zukünftig wohl zu einer Muss-Qualifikation werden, die jede und jeder für die eigene Karriere haben sollte.

Das Projekt läuft noch bis Mitte des nächsten Jahres. Wo schätzten Sie, wird das Projekt und insbesondere die Plattform dann stehen?

Aktuell wird das offizielle „go live“ der Plattform vorbereitet, auch wenn sie schon seit längerer Zeit auch für Externe nutzbar ist. Es wird mit Hochdruck an weiteren Weiterbildungsmodulen gearbeitet, um das Angebot auszubauen und die Funktionalität der Plattform zu erweitern. Wo ich das Projekt in einem Jahr sehe? Ich wünsche mir, dass wir bis dahin einen soliden und wachsenden Nutzer:innenstamm vorweisen können, der nicht nur einmalig zu einem Weiterbildungsinhalt kommt, sondern wiederkehrt, um sich im Bereich IT-Sicherheit kontinuierlich fortzubilden. Das wäre auf jeden Fall ein Ziel.

Für welche Unternehmen ist die Plattform KMU. Einfach. Sicher. geeignet? Kann ich die auch nutzen, wenn ich zum Thema IT-Sicherheit schon etwas gemacht habe? Was ist mit der Perspektive, wenn ich so etwas wie einen Grundschutz, also etwas formales angehen möchte?

Die Inhalte auf der Plattform haben den Anspruch, für jedes kleine und mittlere Unternehmen und damit für jeden Beschäftigten oder jede Privatperson geeignet zu sein, und zwar unabhängig von ihrer Branche. Durch die sehr allgemein gültigen Modulthemen, wie „Einfach Sicher – Einloggen“ oder „Einfach Sicher – Mailen“ schaffen wir für die Beschäftigten aller Branchen Mehrwerte.

Das Interview führte Michael Kemkes, InnoZent OWL e.V.


Dominik Niehus:

„Digitales Lernen bietet Unternehmen und Beschäftigten zeitliche und örtliche Unabhängigkeit, es ist allerdings kein Selbstläufer und muss im Unternehmen organisiert werden.“

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